Liebe Andrea,
Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich vergangenen Sonntag über Deinen Brief gefreut habe. Auch wenn wir die Idee zu diesem Briefwechsel schon im vergangenen Jahr hatten, war ich doch sehr gespannt und aufgeregt, was Du mir wohl schreiben würdest.
Ist es nicht verrückt, wie das Leben manchmal so spielt? Auch ich war damals, als wir uns das erste Mal begegnet sind, nicht sicher, was ich von Dir halten soll. Und auch an dem danach folgenden Blogger-Wochenende, an dem wir uns – damals beide noch mit unseren Ehemännern – in einem Hotel getroffen haben, hätte ich es niemals für möglich gehalten, dass mir unser Austausch, unsere Freundschaft einmal so wichtig werden würde.
Brauchen wir Distanz, um uns nahe zu kommen?
Die Frage, ob wir Distanz brauchen, um uns nahe zu kommen, könnte man wohl auch auf Frauen-Freundschaften münzen, oder? Immerhin wohnen wir fast 500 km auseinander und haben uns noch nie zu Hause besucht und doch können wir über viele Dinge sprechen, für die uns manchmal der passende Gesprächspartner fehlt. Themen, für die eine gewisse Nähe nötig ist.
Weißt Du eigentlich, wie sehr ich Dich vor drei Jahren darum beneidet habe, dass Du so offen über Deine Trennung und die damit einhergehenden Probleme, Gedanken und Gefühle schreiben konntest? Mir waren in einigen Punkten die Hände gebunden und ich konnte die Themen, die mich bewegt haben, immer nur grob anreißen. Nicht umsonst warst Du so völlig überrascht, als ich Dir dann erzählte, dass mein Mann fast zeitgleich mit Deinem ausgezogen ist.
Das Geheimnis unserer Ehe
In der glücklichsten Zeit, die ich mit meinem Ex-Mann hatte, hat er 6 Tage pro Woche gearbeitet. Über Jahre hinweg. Er war Geschäftsführer und hat seinen Job geliebt. Für mich war es ok, das Leben mit den Kids weitestgehend alleine zu rocken. Uns ging es gut, wir waren glücklich. „Das Geheimnis unserer Ehe ist, dass er so viel arbeitet!“ habe ich oft gesagt und obwohl ich dabei gegrinst habe, war es bitterer Ernst.
Am Ende ist unsere Ehe an verschiedenen anderen Dingen gescheitert, doch ich habe für mich mitgenommen, dass ich eine gewisse Distanz in einer Partnerschaft durchaus reizvoll finde.
Romantisch gesehen bin ich etwas anders unterwegs als Du, das stimmt. Doch das Thema Distanz und Nähe beschäftigt mich ebenso wie Dich. Seit einigen Wochen habe ich einen neuen Partner. Er wohnt nur 12 km von mir entfernt, doch da auch er ein Leben mit Haus, Kindern und Arbeit hat, können wir nicht ständig aufeinander hocken. Natürlich möchte man das am Anfang, wenn man frisch verliebt ist. Man möchte so viel Zeit, so viele Nächte miteinander teilen, wie es nur geht. Und natürlich bringt einen die Sehnsucht fast um, wenn man sich nicht sehen kann. Aber ich merke auch, wie gut es tut, eben diese Sehnsucht zu spüren.
Zeit für mich
Es ist großartig, sich zu verabreden, Pläne zu schmieden und sich auf den anderen zu freuen. Doch dann hat auch jeder von uns wieder die Zeit, sich um sein eigenes Leben zu kümmern. Dann bezieht er sein Bett frisch und ich beziehe mein Bett frisch. Mir gefällt das sehr gut.
Und doch könnte ich mir vorstellen, irgendwann wieder mein kleines Nest, meinen Rückzugsort aufzugeben, um mit meinem Partner zusammen zu leben. Wichtig für mich wäre dann nur, dass jeder auch weiterhin ‚sein Ding‘ machen kann. Ich möchte, dass mein Partner sich mit Freunden trifft, auf Konzerte geht oder auch mal eine Woche ohne mich in den Urlaub fährt, denn auch ich brauche regelmäßig ZEIT FÜR MICH. Ich möchte nicht, dass sich einer komplett aufgibt und nur noch für seinen Partner da ist. Vermutlich liegt genau hier die Kunst einer guten Beziehung, die richtige Balance zu finden.
Kürzlich durfte ich eine bemerkenswerte Frau besuchen. Sie ist schon einige Jahre älter als Du und ich und seit 30 Jahren mit ihrem Mann zusammen. Sie hat mir erzählt, dass auch sie ihre Höhen und Tiefen mit ihrem Mann gehabt hat, dass sie aber glücklich sei. „Weil wir es uns schön machen!“ so hat sie mir verraten. Dann hat sie mir ihr Haus gezeigt und ich war begeistert, denn sie hat ihr eigenes Refugium unterm Dach. Ein schönes Zimmer, in dem nicht nur Platz für ihr Bett, sondern auch für ihre Yogamatte ist. Ein richtiges Mädchenzimmer!
Bei Bedarf getrennte Schlafzimmer, aber doch ein gemeinsames Nest. Ausreichend Platz für Nähe und Distanz, das halte ich für sehr erstrebenswert! Erstrebenswert finde ich übrigens auch die 30 gemeinsamen Jahre, aber das ist ein anderes Thema, ich alte Romantikerin.
Männer wollen gebraucht werden
Es war nicht geplant, dass ich zu Beginn des Jahres eine neue Beziehung beginne. Wobei: kann man so etwas überhaupt planen? Wie dem auch sei, obwohl ich nicht auf der Suche war, wusste ich doch sehr genau, was ich wollte. Oder was ich eben nicht wollte. Ich hatte so eine Art Checkliste in der Hosentasche und einen hohen Anspruch, der sich im Laufe der Jahre aus der Summe all meiner Erfahrungen entwickelt hat.
Deshalb war ich auch etwas überrascht, als er auf einmal vor mir saß: Der Mann, bei dem sich alles leicht anfühlt und der sich vor meiner Checkliste nicht fürchten braucht. Stundenlang haben wir gequatscht, bevor wir uns überhaupt das erste Mal geküsst haben. Es war und ist immer noch einfach unglaublich toll. Und doch gab es am Anfang diesen Moment, in dem mir das Herz fast in die Hose gerutscht wäre und er von mir wissen wollte, wo denn überhaupt Platz für einen Mann in meinem Leben sei?
Mir war das nicht bewusst, doch eine Frau, die mit beiden Beinen mitten im Leben steht, dieses ganz gut alleine geregelt bekommt und glücklich und zufrieden ist, kann durchaus abschreckend wirken. Braucht so eine Frau überhaupt einen Mann?
LIEBE
Nachdem ich diese Frage kurz verdaut hatte, war meine Antwort ganz klar: Ich brauche keinen Partner zur Bestätigung oder einen, der mir das Leben finanziert. Ich brauche niemanden, der mich glücklich macht, denn für mein Glück bin ich in erster Linie alleine verantwortlich. Doch ich brauche jemanden für mein Herz, für die Liebe in meinem Leben, denn Liebe ist für mich enorm wichtig. Und natürlich für den Sex … aber darüber sprechen wir heute nicht, auch wenn wir uns schon rege über Sex and the City ausgetauscht haben und dies zur Inspiration für unseren Briefwechsel dient.
Die Liebe ist übrigens auch der Grund, weshalb ich One Night Stands ablehne, ebenso wie eindeutige Angebote verheirateter Männer. Für mich ergibt es keinen Sinn, mich mit einem verheirateten Mann zu treffen. Ich möchte bei einem Date die Möglichkeit haben, mich in mein Gegenüber verlieben zu dürfen. Ohne das es in einem Drama endet.
Wie ist das bei Dir, Andrea?
Ich vermute, dass auch für Dich verheiratete Männer tabu sind? Schon alleine auf Grund Deiner Geschichte!
Aber wie ist es mit der Romantik? Wie viel Raum gibt es für Romantik in Deinem Leben?
Ich freue mich schon auf Deine Antwort und bin gespannt, wo uns dieser Briefwechsel noch hinbringen wird.
Viele liebe Grüße
♥
Denise
Andrea hat ihren Brief an mich auch als PODCAST aufgenommen.
Wer also lieber hört als liest, ist herzlich eingeladen!
Liebe Denise, was für eine Antwort. Jetzt muss ich uns beiden nochmal auf die Schulter klopfen… dieser Briefwechsel ist aus sämtlichen Blickwinkeln einfach großartig. Und was für ein Thema für meine kommende Antwort… Da kann ich eine ganze Menge zu schreiben… als sogenannte „gehörnte Ehefrau“…
Vielen Dank für Deine wunderbaren und offenen Worte. Ich habe Deine Antwort sehr genossen.
Ich wünsche Dir einen fantastischen Sonntag mit allem drum und dran.
Was für ein schöner, intensiver und auch für mich , als mehr als 35 Jahre verheiratete, so wahr.
35 Jahre mit wenig Durststrecken, das traut man sich heute kaum noch zu sagen, so exotisch ist das für die meisten, da es anscheinend sehr verstaubt klingt.
wir beide fühlen uns glücklich und gar nicht verstaubt oder gar langweilig, denn wir schaffen noch immer Distanz in unserer Ehe.
so war das auch als ich bei euch auf Sylt und er Skilaufen war.
dann kommen wir zurück und wissen, jetzt fühlt es sich wieder ganz richtig und vollständig an, ohne dass wir uns ohne einander verloren oder nur halb fühlen.
Ich wünsche dir weiter die perfekte Balance zwischen Nähe und Distanz, liebste Denise.
eine herzliche Umarmung
Gratulation zu diesem großartigen Text.
Hallo,
– über die Distanz: sie ist immer irgendwo – ob aufgezwungen oder natürlich. Wenn man sich zu nahe ist, durch Schicksalsituationen, kann man sich distanzieren so gut es geht um dann das Zusammensein zu verbessern. Wenn zu viel Distanz besteht finde ich das nicht schön. Distanz zu stark kontrollieren zu wollen finde ich gefährlich, sie stellt sich bei uns auch ein, geistig und körperlich und sie ist manchmal recht anstrengend wenn sie wie eine zu dominante Kraft unser Leben managt. Man kann darüber reden aber es nützt nicht immer viel. Distanz beinhaltet Zeit und es fragt sich wie viel Zeit man miteinander leben möchte und zu welchem Preis. Manchmal ist man schlauer wenn man Distanz nutzt um für sich etwas zu tun, aber ich muss sagen, der Distanz zu viel Zeit zu schenken ist nicht mehr produktiv.
Bei uns fehlt Nähe in bestimmten persönlichen Bereichen des Familienlebens, unabhängig ob bei mir oder meinem Mann. Also unsere Familien sind sehr kontaktscheu, egal ob Tanten oder Onkels oder Brüder oder Schwestern, Großeltern oder Eltern. Das kann man aber nicht erzwingen und somit… d.h. wir sind beide miteinander ohne andere Familienangehörige. Ich finde das eigenartig aber so ist es.
Dein Artikel ist sehr schön.
Grüße Wendy