Schon immer liebe ich es, wenn ich Leserpost bekomme. Früher habe ich deutlich mehr erhalten, als ich noch regelmäßiger über Ordnung geschrieben. Umso mehr habe ich mich jetzt über diese schöne Rückmeldung gefreut!
Wenn der Knoten platzt
Hallo Denise,
Ich lese seit Jahren deinen Blog und wollte dir von meinem Erfolg in dieser Woche erzählen. Dazu kurz eine Vorgeschichte: meine Oma (96!) lebt seit dem Tod meines Opas vor fast 29 Jahren bei meinen Eltern. Mein Papa ist nun leider auch schon 8 Jahre tot und Oma ist inzwischen ein Pflegefall, aber absolut klar im Kopf. Ich lebe ca. 40 Kilometer entfernt, bin Single und habe zwei Kinder und einen Hund.
Meine Mama kam ganz plötzlich ins Krankenhaus, es stand nicht gut um sie und ich musste einspringen, um Oma zu pflegen. Gesagt, getan. Ich habe etwas in der Küche gesucht (die schon 28 Jahre steht), habe aber gefühlt in jedem Schrank nur abgelaufene Lebensmittel (teilweise 5! Jahre!) gefunden.
Ärmel hoch
Also: Ärmel hoch und Mülltüte auf. Das ergab nach ca. einer Stunde drei große Müllsäcke. Als meine Mutter aus dem Krankenhaus kam hab ich ihr ein paar Takte erzählt. Sie sich also hingesetzt und ich hab sie bei jedem Teil gefragt „wann hast du das zuletzt gebraucht?“ Bei den meisten Teilen wusste sie es nicht mal mehr, also konnte es ohne Bedenken weg. Ende vom Lied waren zwei Fuhren im Kombi zum Bringhof. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Geschirr und Gläser und Dekoteile das waren! Da meine Mama noch nicht wieder ganz fit ist und sie sich inzwischen wieder selbst um Oma kümmern muss haben wir ein Abkommen getroffen: Ich komme jede Woche einmal vorbei und wir misten zusammen das komplette Haus einmal aus und ich entsorge alles für sie.
Sie ist inzwischen selber total angefixt und merkt, dass es gar nicht lange dauert, mal ein Schrankfach auszumisten! Du kannst dir das nicht vorstellen! Ich habe das Gefühl, meine Mama ist ein neuer Mensch, sie hat gefühlt alles gesammelt und gehortet. Nun merkt sie, dass sie das alles gar nicht braucht!
Liebe Denise, danke das du uns Inspiration warst! Mach weiter!
Eine treue Leserin
Nachtrag
Nachdem ich die Leserin gefragt habe, ob ich ihre Geschichte veröffentlichen darf, ist ihr noch etwas dazu eingefallen:
Seit ca. 20 Jahren hatte meine Mutter Alkohol im Keller stehen. Noch angefangene Flaschen von Opa und Geschenke von Geburtstagen und Weihnachten. Meine Mutter trinkt aber gar keinen Alkohol. Durch die neue Sichtweise durfte ich den ganzen Mist entsorgen und der Kellerraum ist jetzt luftig.
Die ganze Sache befreit ungemein!
Früher konnte ich nicht richtig atmen in dem Haus, fühlte mich erschlagen.
Es geht mir jetzt schon viel besser dort! Und es wird noch besser!
Wir bleiben dran, da der Knoten geplatzt ist!
Auch dank Dir, liebe Denise!
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich spüre die Erleichterung förmlich durch die Zeilen und ich freue mich so sehr. Das scheint eine ganz tolle Mutter zu sein, die die Hilfe ihrer Tochter so dankend annimmt. Und was für ein Geschenk der Tochter, ihrer Mutter auf diese Weise die Bestmögliche Unterstützung zu geben.
Ordnung ist so befreiend. In jeglicher Hinsicht.
Allen, die in einer ähnlichen Situation stecken, wünsche ich auf diesem Wege viel Kraft, Mut und Ausdauer. Die Arbeit lohnt sich! Und für alle, die noch die passende Lektüre suchen: Ich empfehle immer gerne das Buch Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu sortieren
In diesem Sinne, ordentliche Grüße
Denise
16 Kommentare
Liebe Denise, neben der auf jeden Fall wichtigen Aufräumaktion finde ich herausragend mit welcher Selbstverständlichkeit die drei Generationen für einander da sind. Wunderbar! Alles Liebe Dir und Deiner Gastautorin!
Liebe Denise,
was für eine schöne Geschichte, danke fürs Teilen.
Beim Lesen solcher Geschichten spüre ich auch immer diese Erleichterung, ich Liebe ausmisten, deshalb mag die Unordnung auch ein wenig, weil dadurch entsteht wieder eine Ordnung 😀
Alles Liebe.
Ilse
Liebe Denise, ich habe beim Lesen dieses wertvollen Beitrags die Berührung förmlich im Körper gespürt. Soviel Befreiung und Heilung, die Du angestiftet hast. (Angemaust, wenn man es auf dem Computer schreibt :-)) Ich mag auch den Satz von Ilse – die Unordnung mag, damit wieder Ordnung entstehen kann. Für mich ist Ordnung machen tatsächlich ein sehr erdiger Prozess, der mich ins Hier und Jetzt bringt und mich auch innerlich klärt. Inzwischen verwende ich einen Teil der Hundetüten um unterwegs die Müllkrumen aufzusammeln, die der Wind oder ein Mensch auf ‚meinem‘ Weg hinterlassen lassen. Dann fühle ich mich hinterher immer ein Stück reiner als vorher.
Liebe Grüße in Dein Leben,
Andrea
Deine Buch Empfehlung kann ich nur unterstützen. Das Buch hat mir auch nochmal einen Schub gegeben,
Guten Abend,
mir ist auch gerade das Herz aufgegangen und ich habe den Beitrag mal an meine „Regierung“ geschickt 😂. Die beiden sind um die 80, die Küchenmaschine steht auf dem Dachboden, da in der Küche kein Platz mehr ist. Daher wird sie auch nicht benutzt. Das ist nur ein kleines Beispiel.
Ich wollte bei mir jetzt Monopoly und das Spiel des Lebens aussortieren. Wir spielen sehr gerne, aber diese Spiele nie.
Mein Mann will sie behalten….
Tja, was soll ich machen.😂.
Danke für den Beitrag.
Ich würde dem Mann die Spiele einfach neben das Bett stellen. Sie scheinen ihm wichtig zu sein, dann soll er sie doch in der Nähe haben 😉
Großartige Idee 💡 👍
Ich habe selber eine pflegefällige Mutter und tatsächlich mach die Geschichte mich auch etwas traurig. 5 Jahre abgelaufene Lebensmittel heisst – offensichtlich ist da was dazwischen gekommen – Tod bzw. Verarbeitung dessen und Pflegefall. Warum findet die Protagonistin jetzt plötzlich 1 mal die Woche Zeit zum Ausmisten anstatt in den letzten Jahre auch mal ihre offensichtlich stark beanspruchte Mutter zu entlasten.
Da wird es sicher Gründe für geben.
Ich würde der Tochter keinen Vorwurf machen.
Ich kann da nur von mir reden und meinen Erfahrungen. Meine Mutter würde mich auch nie an ihre Schränke lassen. Es ist halt so und soll am Besten auch so bleiben. Ich denke es entsteht auch gerne eine Art Alterssturheit. Manchmal ist es eben einfach schwierig an die älteren Herrschaften heran zu kommen. Sie hat einfach die Gunst der5 Stunde genutzt und ihr aufgezeigt, dass es so nicht weiter gehen kann. Das meint sie vielleicht auch mit“ Der Knoten ist geplatzt“ – plötzlich kam scheinbar die Einsicht.
Sicherlich wird die Frau überfordert gewesen sein, hat aber dadurch vermutlich auch keine Veränderung zugelassen.
Wir kennen die Gesamtsituation nicht, umso schöner, dass sie es jetzt gemeinsam angehen. Besser spät als nie, wie es so schön heißt.
Vielleicht hat sie es nicht gewusst! Guckst du bei anderen so in die Küchenschränke oder andere Schränke, dass du das MHD kontrollierst? Vielleicht war auch alles gut “ getarnt“? Aber die Mutter sieht es jetzt selbst und lässt sich helfen! Es ist nie zu spät Hilfe anzunehmen!
Hallo,
also ich sehe das so aus persönlicher Erfahrung. Nicht jede Mutter lässt sich auf so eine Aufräumaktion ein. Ich finde auch erwachsene Eltern haben Anspruch auf ihre privaten Dinge und ihre Intimsphäre. Als meine Mutter ein paar Tage verreist war, wollte ich sie überraschen und hab ihr Schlafzimmer renovieren lassen, weil da auch ein kleines Schimmelproblem im Raum war. Im Zuge dessen hab ich das Zimmer freiräumen müssen und habe dort auch Sachen entsorgt. Wäre meine Mutter anwesend gewesen hätte sie das nie zugelassen, weil ja unnötig. Ich finde es übergriffig einfach in den Dingen meiner Mutter zu wühlen und Entscheiden zu müssen was weggeschmissen wird. Das geht bei uns zumindest nicht. Meine Mutter hortet Gott sei Dank keine Lebensmittel und da ich mittlerweile den Einkauf für sie mache, schaue ich auch schon mal mit ihr in den Vorratsschrank.
Außerdem können Eltern wunderbar ihren Kindern Theater vorspielen und Normalität heucheln, weil sie den Kindern keinen Kummer machen wollen. Ich könnte darüber noch viele andere ähnliche Geschichten aus dem Bekanntenkreis erzählen. Es sind die Generationen die nicht viel hatten unbesiegten wird auch nichts weggeschmißen, auch abgelaufene Lebensmittel können in ihren Augen noch gut und essbar sein.
Ich bin die Mutter und möchte eins klarstellen meine Tochter ist immer für mich da nicht erst jetzt sie ist zu 100% ein toller Mensch. Bis jetzt ist es mir nur nicht aufgefallen das ich einfach zuviel von allem hatte.Das sie mir geholfen hat es zu verstehen dafür bin ich ihr sehr dankbar. Jetzt geht es schon automatisch das alles was weg kann auch weg kommt.danke an meine Tochter
Ihr macht das super und für mich ist diese Geschichte sehr ermutigend und vorbildlich! Von allen Seiten!
Ich wünsche Euch weiterhin alles Glück dieser Welt!
Bei mir ist es gerade so dass meine Schwiegermutter vor ein paar Monaten verstorben ist. Jetzt möchten meine Schwägerinnen „ausmisten“ und die Sachen bei einer Kleidersammlung an der Straße mitgeben. Mir geht das zu schnell. In früheren Zeiten gab es noch so was wie ein Trauerjahr. Fand ich gar nicht so sinnlos. Trauer braucht Zeit innerlich und äußerlich. Da finde ich es schon besser, wenn zusammen entrümpelt wird solange man noch am Leben ist. Manchens darf dann ja auch bleiben. Ich habe Dinge die meiner Seele guttun. Aber auch viele Andere – die weg können.
Liebe Grüße
Momo
Ich freue mich immer sehr, wenn du Leserbriefe mit einer Geschichte dahinter veröffentlichst, und sie quasi ein HappyEnd haben. Auch wenn der Beitrag mich sehr hin- und hergerissen hat, mit dem Versuch mich in die Personen hineinzuversetzen und Verständnis oder Begründungen zu finden warum es so ist. Mich hat der Satz „Das scheint eine ganz tolle Mutter zu sein, die die Hilfe ihrer Tochter so dankend annimmt. “ sehr berührt, er drückt so viel positives aus ohne Vorwurf oder Erwartung. Es ist wie es ist, und beide machen jetzt das beste daraus, finde ich toll!
Bei uns leider ein andauerndes Thema, meine Mutter (Ü50) will weder aussortieren noch aufräumen noch sauber machen, und es wird immer nur schlimmer. Sortiert man ohne sie aus, ist sie sauer, nimmt man sie mit, hat sie nach 10 Minuten und für die nächsten 4 Wochen keine Lust mehr, bittet man sie, redet sie sich raus, sortiert man vor und sie darf entscheiden, stellt sie einfach nur den Karton woanders hin. Da wir in (mittlerweile m)einem Haus leben und einige Räume gemeinsam nutzen, gar nicht so einfach. Da geht es nicht mal um sehr private Dinge, sondern zB um 10 Kuchentransportboxen von denen die Hälfte nicht mehr richtig schließt oder Risse hat, 15 neu verpackte Messer die sie nicht benutzt oder alte Schüsseln die sie in ihrer neuen Küche nicht mehr unterbekommt weil sie die Schränke zu klein geplant hat bzw. schon voll gestellt mit neuem Kram. Falls jemand Tipps oder ähnliche Erfahrungen hat, gerne teilen – ich weiß mir nicht anders zu helfen, als immer wieder neue Ansätze oder Ideen u versuchen (gibt hier im Blog ja viele) und darauf hin zu arbeiten, dass irgendwann auch bei ihr der Knoten platzt. Solange hole ich mir einfach immer wieder die Abfuhr, lebe mit der Enttäuschung und einem Mix aus Zustand und hinter ihr Herräumen damit es erträglich bleibt. Ihre persönlichen Räume lasse ich dabei außen vor, da mische ich mich nicht ein. Aber es tut weh, wenn sie die Sachen von Papa allein aussortiert, obwohl wir einen Termin vereinbart hatten und beschlossen das gemeinsam zu tun und sie einfach vorher anfängt und man gerade noch seinen Lieblingspulli vor der Kleidersammlung bewahren kann; und es ist unverständlich, wenn sie die guten Gläser in die hinterste Ecke verräumt um schäbige Flohmarktfunde oder billiges Geschirr lieblos durcheinander hinter die verglasten Schranktüren stellt (beides wird selten bis gar nicht benutzt). Ich kann und will sie nicht bevormunden, Reden ist kaum möglich und ihr Schlussargument ist „Lass mich“.