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Momentaufnahme | Virtuelle Assistentin

29/11/2020

Mich haben Geschichten anderer Menschen schon immer interessiert. Die echten Geschichten von Angesicht zu Angesicht erzählt. Ich möchte wissen, wie es den Menschen geht, was sie gerade fühlen, was sie denken. Welche Ängste sie haben, aber auch, welche Hoffnungen sie antreiben. So ist im März meine Idee zu „Momentaufnahme“ entstanden und seit dem Skype ich mit den verschiedensten Menschen.

Momentaufnahme mit einer virtuellen Assistentin

Gabi ist 57 Jahre alt, wohnt in Düsseldorf und hat drei erwachsene Söhne. Als wir uns im Februar 2019 beim Syltglück kennengelernt haben, steckte sie beruflich in einem Umbruch. Jetzt ist sie virtuelle Assistentin und gibt uns heute eine Momentaufnahme aus ihrem Leben.

virtuelle Assistentin

Liebe Gabi, wie ist es Dir ergangene, seit unserem Abschied im Februar 2019 auf Sylt?

Für mich war das Syltglück wie eine Initialzündung. Ich habe die Tage total genossen. Es war für mich und sicher auch für die anderen Teilnehmerinnen total schön. Danach hat sich bei mir viel verändert, denn ich habe für mich gemerkt: Ich kann das! Ich kann mich auf etwas Neues einlassen, mich auf Menschen einlassen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Ich bin nicht so der Gruppenmensch, dort aber trotzdem hinzufahren und diese Erfahrung zu machen … Das war eine gute Woche.

Tatsächlich hat das auch bewirkt, dass ich, die immer gestöhnt hat „Ach, dieses Social Media, das ist doch was für 20-jährige“ …  kurz danach habe ich meinen eigenen Instagram Account angelegt und poste seitdem fast jeden Tag. Es ist für mich wie eine Art Tagebuch und macht mir so viel Spaß. Über meine kleine Followerschaft habe ich so nette Frauen kennengelernt, zum Teil auch schon in der Realität und das ist großartig.

Weiterbildung

Im Februar 2019 war ich nach 35 Jahren bei einer Bank zum ersten Mal ohne Job. Eigentlich wusste ich nicht richtig, wo es lang geht und wollte mir auch erst einmal Zeit nehmen, um mich neu zu orientieren. Nach einem gescheiterten Bewerbungsprozess für einen Job, bei dem ich das Gleiche gemacht hätte wie die 35 Jahre davor, ist in mir der Gedanke gereift: „Mach Dich doch selbständig!“ Klar, ich bin keine 25 mehr, aber ich habe unglaublich viel Berufs- und Lebenserfahrung und ich glaube, das sind Kompetenzen, die nicht zu unterschätzen sind.

2019 habe ich mich bei der IHK zur Datenschutzbeauftragten weitergebildet, Anfang 2020 kam noch der „Social Media Manager“ dazu. Jetzt versuche ich, diese Kenntnisse unter einen Hut zu bekommen, was nicht ganz einfach ist. Social Media und Datenschutz schließen sich eigentlich fast aus. Es ist immer eine Gratwanderung, die aber sehr spannend ist.

Seit dem 01.01.2020 bin ich als virtuelle Assistentin selbständig. Ich habe in meinen „Bankjahren“ als Assistentin gearbeitet, auch in der Geschäftsführung, später kam dann noch SAP-Erfahrung in der IT dazu. Das kann ich eben auch. 2020 ist ein herausforderndes Jahr, trotzdem war es eine gute und richtige Entscheidung. Ich bin froh, dass ich den Mut gehabt habe, in die Selbstständigkeit zu gehen.

Gedanken zur Selbständigkeit

Was sich im letzten Jahr tatsächlich herauskristallisiert hat: so viel muss ich gar nicht tun, um Kunden zu gewinnen.  Die Aufträge, die ich jetzt habe, haben sich auch so ergeben. Das ist sehr schön und natürlich auch ein Geschenk, dass mich eben genau die richtigen Leute finden, mit denen ich gerne zusammenarbeiten möchte.

Im Sommer hatte ich einen kurzen Moment, wo ich dachte „Das war eine Schnapsidee, sich gerade 2020 selbstständig zu machen.“, aber ich merke, es verändert sich langsam und ich vertraue darauf, es wird schon. Man braucht einfach ein bisschen Geduld. Aber da erzähle ich Dir ja nichts Neues.

Ich finde es toll, jetzt meine eigene Chefin zu sein, als virtuelle Assistentin und einfach dann arbeiten zu können, wenn ich das möchte. Durchaus auch mal den Tag freinehmen und abends arbeiten. Vor allem auch ortsunabhängig. Ein funktionierendes W-LAN reicht. Die Freiheit, so selbstbestimmt arbeiten zu können, weiß ich sehr zu schätzen.

Virtuelle Assistentin

Ich musste oft an Sylt und an den Glücksworkshop bei Dir denken. Ich weiß noch, wie Du erzählt hast, dass Du Camping so liebst und dass Du dann einen Mann getroffen hast, der jetzt an Deiner Seite ist und der auch noch ein Wohnmobil hat.

Daran glaube ich tatsächlich: dass man das, was man sich wünscht, in sein Leben ziehen kann, dass Glück im gewissen Umfang eine Entscheidung ist.

Bislang habe ich auch das Glück, dass ich Kundinnen bekommen habe, bei denen das wirklich passt. Mein Fokus liegt auf Einzelunternehmerinnen, die sich mit vielem beschäftigen müssen, aber nicht vorrangig mit dem, was eigentlich ihre Unternehmenspassion ausmacht. Da kann ich als virtuelle Assistentin unterstützen, ich bezeichne mich gerne als die gute Fee im Hintergrund. Und ich freue mich über jeden, den ich bei seinem Weg begleiten kann. Es gibt so viele spannende Frauen, die kleine Unternehmen haben.

Was ist gerade Deine größte Herausforderung?

Ich komme gut mit mir alleine klar und bin ohnehin nicht die große Reisefreundin oder Partymaus. Insofern macht mir die Situation nicht so viel aus. Ich habe aber auch das Glück, dass meine kleine Kernfamilie hier in der Nähe ist, so ich sie immer sehen kann. Auch das ist Glück. Wenn dem nicht so wäre, wäre es viel schwieriger.

Letzte Woche habe ich mich nach langer Zeit mal wieder mit einer Freundin zum Spazierengehen getroffen und da habe ich schon gemerkt, wie mir das fehlt. Man kann vieles mit Zoom und Telefon kompensieren, sich zu treffen ist aber doch etwas anderes. Insgesamt macht mir das Kontaktverbot aber nicht so viel aus wie anderen vielleicht. Meine Stimmung leider darunter nicht. 

Allerdings höre ich mir aber auch ständig die Nachrichten an und muss nicht permanent über alle Zahlen informiert sein. Mir tut es nicht gut, wenn ich das so kleinteilig verfolge. Ich fühle mich einfach wohler, wenn ich mich nicht den ganzen Tag mit dem Corona-Thema beschäftige.

Natürlich ist es immer präsent und es ist auch nicht schön, eine Maske zu tragen. Aber es ist auch nicht schlimm! Durch das ewige Gejammer wird es sowieso nicht besser!

Für mich ist Reisen letztendlich kein Recht, sondern immer noch ein Privileg.

Wenn wir in einem Jahr also keine drei Cluburlaube/Kreuzfahrten etc. machen können, dann ist das so. Eine unbeliebte Meinung, das Thema Reisen ist recht emotional behaftet. Ich weiß, dass das viele Menschen ganz anders sehen.

Ein Ortswechsel, eine Luftveränderung ist immer gut. Nun habe ich das Glück, dass mein Ex-Mann (zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe) ein Ferienhaus in Thüringen hat. Es liegt recht abseits, da konnten wir bedenkenlos hinfahren. Das ist natürlich ein Geschenk in solchen Zeiten. 

Und ja, mir fehlt ein wenig die Freiheit, mich einfach mal ins Auto zu setzen und ans Meer zu fahren.  Letztendlich finde ich es aber wichtiger, dass man in seinem Zuhause und seinem Umfeld zufrieden und glücklich ist. Dann braucht man die Außenimpulse nicht so zwingend. Ich fühle mich hier wohl und empfinde es daher auch nicht als Verlust oder Mangel, wenn ich nicht reisen kann. Dafür bin ich dankbar. 

Es war ja vor Corona schon so, dass viele Menschen seufzen:  „Endlich Wochenende, endlich Urlaub …“

Genau, dieses Hinfiebern auf etwas, was in der Zukunft liegt und vermeintlich schöner ist, und dabei das Leben im Augenblick vergessen. Du kannst jeden Tag etwas Schönes finden und erleben, wenn Du den Blick dafür öffnest und wenn Du das auch willst.

Change it, love it or leave it

Was tut Dir gerade besonders gut?

Ich gehe unglaublich gerne raus, in den Wald. Außerdem schaue ich einfach gerne mal in den Himmel und beobachte die Wolken. Das ist für mich eine Mini-Meditation. Da kann ich jederzeit, wenn ich es brauche, abschalten.

Wenn man selbständig arbeitet, ist es wichtig, sich eine feste Struktur zu schaffen und auch bewusst eine Pause einzulegen. Diese Pausen brauche ich, um mich zu erfrischen und dann wieder mit neuer Kraft ans Werk zu gehen.

Meine große Angst, als ich aufgehört habe zu arbeiten, war tatsächlich, dass ich „versumpfe“, dass ich bis um 10 Uhr schlafe und nur noch ungekämmt im Schlafanzug rumlaufe. Ich habe also von Anfang an sehr darauf geachtet, eine Regelmäßigkeit und Struktur für mich zu finden. Das ist für mich sehr wertvoll.

Wie wirst Du Weihnachten verbringen?

Der Plan war, dass wir ins Ferienhaus fahren und dort im kleinen Familienkreis feiern. Direkt am Wald, mit Kachelofen, mit all meinen Jungs – das wäre schön. Der Gedanke war, dass auch meine Ex-Schwiegereltern, die in Thüringen leben, vorbeikommen können. Aber dann wären wir schon wieder zu viele Haushalte und Personen. Es bleibt spannend.

Für das nächste Jahr steht bei mir noch ein Umzug an.

Durch Zufall hat sich die Möglichkeit ergeben, eine andere Wohnung zu bekommen. Das ist für mich eine Herausforderung, weil ich Umziehen furchtbar finde. Es ist aber auch DIE Gelegenheit, wieder auszumisten und auszusortieren, mich zu reduzieren. Aber wenn ich schon an das Kartons packen denke …

Mein letzter Umzug ist 10 Jahre her, das war, als ich bei unserer Trennung aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen bin. Das war emotional sehr schwer und traurig.  Bei dem jetzt anstehenden Umzug freue ich mich einfach nur auf die neue Wohnung. Aber eben nicht auf die Arbeit, die damit zusammenhängt. Vielleicht hast du, liebe Denise, noch ein paar hilfreiche Tipps für mich?

virtuelle Assistentin

Liebe Gabi, ich wünsche Dir alles Gute für die bevorstehenden Monate. Herzlichen Dank für das schöne Gespräch!

Die Website von Gabriele ist noch im Aufbau, aktuell findet Ihr Sie über ihren Instagram Account Heymlichkeiten.

Fotocredit: Elena Peters

 

 

Euch allen einen schönen 1. Advent!

 

 

 

 

  • Bettina 29/11/2020 at 9:57

    Wenn meine liebe Frau Heymlich, gar nicht so heymlich beim Frl. Ordnung zu Gast ist, kann das nur ein wunderbares Interview geben.

    Schöne Sonntagsfeierei zusammen.

    Liebe Grüße

    Bettina

  • Nicole 29/11/2020 at 11:32

    Liebe Denise, liebe Gabi,
    Ich finde das so toll, was Gabi geschafft und geschaffen hat. Es zeigt doch auch mehr als deutlich, dass Veränderung und seine Wünsche oder Träume zu realisieren, kein Privileg eines bestimmten Alters sein müssen. Das finde ich super!
    Gabi ist echt und sehr geerdet, dabei immer mit einem halb vollen Glas unterwegs, das ist echt toll!
    Liebe Grüße und einen schönen ersten Advent,
    Nicole

  • Michaela Löser 29/11/2020 at 16:10

    Liebe Gaby liebe Denise, ich kann mich so gut in deinen Lebensweg hineinversetzen. Auch ich habe über 25 Jahre als Assistentin gearbeitet, und habe mich jetzt für einen Neuanfang als selbstständige Ordnungsberaterin entschieden. Es ist nicht immer einfach, aber deine Worte motivieren mich, dran zu bleiben. Vielen Dank dafür.
    Herzliche Grüße Michaela

  • Sibille 29/11/2020 at 21:13

    Danke für das sehr ansprechende Interview. Ich bin ebenfalls gerade im Umbruch und freue mich auf meinen „Change“.

  • Doris 30/11/2020 at 10:08

    Toller Text. Tolle Ansichten. Tolle Frau!

    • Heike 03/12/2020 at 21:56

      Jaa, genau das dachte ich auch beim Lesen!

  • Ilka 30/11/2020 at 10:45

    Danke für das interessante Interview.
    LG Ilka

  • Evelyn 30/11/2020 at 20:47

    Eine sehr sympathische Frau, – werde gleich mal rüberschauen auf Insta.

  • Irmi Egger 01/12/2020 at 22:40

    Liebes Fräulein Ordnung, ich finde Ihre Interviews mit Frauen jedesmal sehr interessant! Danke dafür, für so viele verschiedene Persönlichkeiten und Lebensentwürfe und so viele kluge Gedanken! Alles Gute und liebe Grüße von einer langjährigen Blog-Besucherin, Irmi E. aus Wien

    • fräulein | ordnung 02/12/2020 at 7:33

      Danke für dieses wundervolle Feedback! Das bedeutet mir sehr viel!