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Momentaufnahme | Von Schweden in die Niederlande

15/11/2020

Mich haben Geschichten anderer Menschen schon immer interessiert. Die echten Geschichten von Angesicht zu Angesicht erzählt. Ich will wissen, wie es den Menschen geht, was sie gerade fühlen, was sie denken. Welche Ängste sie haben, aber auch, welche Hoffnungen sie antreiben. So ist im März meine Idee zu „Momentaufnahme“ entstanden und seit dem Skype ich mit den verschiedensten Menschen.

Von Schweden in die Niederlande

Maren ist 51 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Jungs (13, 19 und fast 22 Jahre). Vor einigen Wochen ist sie mit Ihrem Mann und dem jüngsten Sohn von Schweden in die Niederlande gezogen, wo sie damals schon wohnte, als wir uns über unsere Blogs kennengelernt haben. Vor drei Jahren habe ich Maren und ihre Familie in Schweden zu einer Sommerparty besucht und wollte wissen, wie es ihr jetzt gerade geht.

Von Schweden in die Niederlande

Liebe Maren, erzähl doch mal.

Wie ist es gekommen, dass Ihr von Schweden in die Niederlande zurückgegangen seid?

Wir haben ja nie gesagt, dass wir da bleiben. Generell. Eigentlich war immer die Idee, wir bleiben auf jeden Fall dort, bis die beiden Großen mit dem Abi fertig sind. Der Mittlere war dann dieses Jahr fertig, wenn auch ohne große Abi-Feier. Rein theoretisch hatten wir schon gesagt, vielleicht ziehen wir dann aus, wenigstens aus dem kleinen Schwarzen. Was sollen wir zu dritt, mit Hund, auf 270 qm wohnen?  Bisschen ungemütlich und so weiter.

Nachdem ich zwischendurch in Schweden krank geworden war und im Krankenhaus gelandet bin, haben wir die ganze Zeit schon gesagt „wir werden hier auf keinen Fall alt!“. Die Situation in den Stockholmer Krankenhäusern und die Altersversorgung ist einfach so, dass wir dachten: Nee, dass geht gar nicht!“ Schon die Blinddarm OP von meinem Mittleren war eine mittlere Katastrophe!

Dann kam im Frühjahr Corona und da haben wir uns angeguckt, wie die Schweden das mit den alten Leuten geregelt haben. Da haben wir beschlossen, dass wir definitiv die vielen Steuern, die man in Schweden bezahlt, besser in einem anderen Land bezahlen können, wo man im Alter auch geschützt wird statt geopfert. Als der mittlere dann mit dem Abi fertig war, haben wir gesagt: Bevor der Herbst kommt, sind wir hier weg. Von Schweden in die Niederlande zurück.

Mein grosser Sohn bleibt in Schweden, er macht noch zwei Jahre eine Kapitänsausbildung und der  mittlere bleibt bei seinen Freunden und der Freundin in Schweden auf der Suche nach eine Studienplatz. Glücklicherweise haben wir ein paar gute Freunde in Schweden, die gleich gesagt haben, er könne jederzeit herkommen, wenn mal was ist. Da war mein Mutterherz beruhigt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Euch Weihnachten seht, ist vermutlich gering?

Das gilt wohl für alle, die Kinder im Ausland haben. Dieses Jahr können wir echt knicken. Leider.

Es heißt ja immer, die Menschen in Skandinavien sind alle so viel glücklicher, dort sei alles besser …

Ich würde das differenzieren Skandinavien ist ja ziemlich groß. In meinem Leben habe ich schon ganz viel Zeit in Dänemark verbracht, das war unser Familien-Urlaubsland, seit ich 6 Jahre alt war. Ich habe viele dänische Freundinnen gehabt und ab und an auch mal eine Woche in einer dänischen Familie gewohnt. Zwischen Dänen und Schweden ist schon mal qua Wesen ein kleiner Unterschied. Zumindest die Dänen, die ich so kenne im Verhältnis zu den Schweden, die ich so kenne, würde ich sagen, ja, da stimmt dieses Hygge Wort in Dänemark. In Schweden sind auch alle sehr nett, aber auch sehr zurückhaltend. Ich glaube, je nördlicher Du kommst, in Schweden, wird es nicht leichter, Einheimische kennenzulernen. Im Süden von Schweden sind die Leute wesentlich offener als zum Beispiel in Stockholm, ist uns aufgefallen.

Aber auch in Amsterdam sind die Leute nicht so offen und freundlich wie hier auf dem Dorf. Großstadt und ein kleines Dorf eben.

Von der Mentalität her sind die Schweden verschlossener. Sie sind sehr interessiert, was andere Leute so machen. Wenn wir Nachbarn getroffen haben wurden wir anfangs gut ausgefragt, warum wir nach Schweden gezogen sind etc.,. Wir haben dann auch bereitwillig erzählt, wenn man jedoch eine Gegenfrage gestellt hat, wurde abgeblockt, es gab nur eine knappe Antwort. Es war nicht einfach,  Freunde zu finden.

Generell habe ich das zwischendurch auch schon auf Instagram verlauten lassen … #schwedenistnichtbullerbü! Vielleicht sind grad wir Deutschen mit unserer doch nicht ganz so schönen Vergangenheit auf Suche nach dem ultimativen Land des Glücks. Dänemark und Schweden sind ja gewillte Urlaubs- und auch Auswanderländer , aber oftmals sieht man als Urlauber auch nur das Schöne: reine Luft, ewige Wälder und diesen wundervollen roten Häuschen! Dahinter jedoch bröselt es jedoch genauso wie in Deutschland, echt wahr! 

Zum Beispiel auch das vielseitig gelobte Schulsystem! In Schweden hat unser jüngster die letzten zwei jähre eine internationale Schule besucht, da uns dann irgendwann doch aufgefallen ist, dass zwar alles ganz locker und easy erscheint am schwedischen Schulsystem doch im internationalen Vergleich einfach oft keinen Standard hat. 

Hier in NL geht unser Jüngster auch auf eine internationale Schule, einfach aus dem Grund, weil wir nicht genau wissen, ob wir so lange in den Niederlanden bleiben, bis er mit der Schule fertig ist! Es könnte gut sein, dass wir doch noch mal für ein paar Jahre ins Ausland gehen. 

Habt Ihr Favoriten?

Ich würde gerne noch eine Zeit in Amerika verbringen, jetzt, wo Trump nicht nochmal gewonnen hat. Eigentlich dachte ich immer, New York wäre super, das ist einfach so eine coole Stadt, doch nachdem wir vor zwei Jahren in San Francisco waren, finde ich Kalifornien auch ganz nett. Wir haben genug Kälte in Schweden gesammelt, von daher könnte es gerne ein bisschen wärmer werden, man wird ja nicht jünger. Auf jeden Fall nicht irgendwohin, wo wir die Sprache nicht sprechen … vier Sprachen fliessend finde ich dann nun doch genug zumal das im Alter *räusper* auch nicht einfacher wird, finde ich.

Wie wohnt Ihr aktuell?

Das Haus, in dem wir gerade übergangsweise leben, gehört einer Familie, die für 1/2 Jahr nach Spanien gezogen ist. Die kommen am 01.03.2021 wieder. Unsere Suche nach einer Immobilie  hat sich als etwas schwierig herausgestellt, aber wir haben jetzt ein relativ neues Haus in Alkmaar gekauft. In einem Neubaugebiet,  finde ich persönlich nicht wirklich so schön, schliesslich hatten wir ja  Traumlage mit dem kleinen Schwarzen am Waldrand! Aber das Haus an sich ist ganz okay,  es hat niedrige Energiewerte und einen Garten am Wasser. Das hat dann auch den Durchschlag gegeben, plus dass es so hell war wie im kleinen Schwarzen! 

Vielleicht kommt ja irgendwann irgendwo doch noch mal Rosarood´s Bed & Breakfast, wer weiss….

Von Schweden in die Niederlande

Was machst Du gerade, damit es Dir gut geht?

Jeden Tag an den Strand gehen. Ich bin ein Küstenkind. Mich macht das Meer sehr glücklich und nachdem wir vor zwei Jahren meinen Vater auf See bestattet haben, habe ich nochmal einen ganz besonderen Bezug dazu. Das ist mir noch näher gekommen, als es eh schon war.

Letzte Woche waren wir ganz oft am Strand, weil mein Sohn Herbstferien hatte und als sich der nächste Lockdown in Deutschland ankündigte, habe ich entschieden, jeden Tag an den Strand zu fahren, um dort #RosaroodsBeachtour zu machen und meine Follower ein bisschen mitzunehmen.

Ansonsten bereite ich den Umzug vor und überlege, was ich zukünftig beruflich mache. Ich habe keine Eile und das fühlt sich auch erstmal ganz gut an.

Was ist gerade Deine größte Herausforderung?

Nicht wahnsinnig zu werden, von diesem ganzen Corona Scheiß. Wir haben uns in Schweden schon sehr zurückgehalten und nicht am offenes Schweden Projekt mitgewirkt. Hier in den Niederlande machen wir das auch so. Aber auf der anderen Seite, ab und zu muss man ja auch mal jemanden treffen. Ich merke schon, dass mich das mittlerweile ganz schön stört. Ab und zu denke ich: „Ich hätte jetzt mal richtig Lust auf eine große Party!“

Ich habe gerade Ein guter Winter entdeckt. Ein Wintertagebuch, das man sich runterladen kann. Das ist sicherlich sinnvoll, gerade wenn man nicht arbeitet, versackt man sonst völlig. Eigentlich bin ich #thinkpinkbepositive  nur im Moment gelingt es mir nicht so gut wie sonst.

Das Reisen fehlt mir zwar auch, aber grundsätzlich fehlt mir die Nähe zu Menschen. Und Partys. Das ist einfach so.

Ich dachte, dass wenn wir jetzt wieder näher an Bremen wohnen, dass ich locker mal für ein Wochenende hinfahren könnte, mich mit meinen alten Freundinnen treffen und wieder zurück. Aber das ist erst mal nicht.

Worauf freust Du Dich in der Zukunft?

Daneben, dass ich meine Kinder spätestens im Sommer hoffentlich wieder in die Arme nehmen kann, freue ich mich auf das nächste berufliche Projekt. Ich habe da verschiedene Ideen, an denen ich arbeite und das macht mich glücklich.

Generell habe ich eine ziemlich große Abenteuerlust und ich denke, es gibt immer Möglichkeiten!

Maren von Rosarood

Liebe Maren, es war so schön, Dich – wenn auch nur virtuell – wieder zu sehen!

Herzlichen Dank für diese Momentaufnahme!

Wenn ihr Maren auf ihren Strandspaziergängen begleiten möchtet, dann findet Ihr sie bei Instagram. Und vielleicht wird auch irgendwann wieder ihr Blog aktiviert?

 

Alles Liebe

Denise

 

 

  • Nina Nolte 15/11/2020 at 16:38

    Herzlichen Dank für dieses Interview! Endlich wird mal differenzierter auf Schweden geblickt. Es ist glaube ich immer eine ganz andere Hausnummer ob man ein Land vom Urlaub her kennt oder dort wirklich lebt. Die scheinbar nicht so optimale Gesundheitsversorgung war mir zB überhaupt nicht bewusst.
    Schönen Sonntag
    Nina

  • Nicole Kirchdorfer 15/11/2020 at 17:33

    Wie interessant. Tatsächlich ist Schweden ja immer als das gefeierte Paradies bekannt. Da ist alles besser. Schön mal hinter die Kulissen schauen zu dürfen.
    Viel Glück in den Niederlanden. Ein cooles Land.

    • Martin Ranz 16/11/2020 at 10:29

      Guten Morgen, spannende Geschichte. Was ich nicht verstehe: ich lebe selber zu einem Teil in Schweden, der Rest in der Schweiz. Für mich ist es klar, es ist in Schweden nicht besser, sondern anders. Jeder muss sich dafür Entscheiden, wo es für ihn besser passt. Was ich nicht verstehe: wir sind Gast in einem Land und haben die Kultur und Mentalität unseres Gastlandes zu respektieren. Ansonsten ist es uns freigestellt, wieder zu gehen. Gilt für jegliche Migration und in jedem Land dieser Erde. Ich habe (auf dem Land) ganz andere Erfahrungen gemacht mit den Menschen. Sei offen zu ihnen und sie sind es auch. Distanziert aber ehrlich. Wenn was ist stehen die Nachbarn aber auch ich zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit zum helfen. Aber ein Grossteil der Mitteleuropäer haben schlicht die schlechte Angewohnheit, allen erklären zu müssen, was sie zu tun haben. Der Umgang mit Corona passt 100% zur schwedischen (Land-) Bevölkerung. Also, wem’s nicht passt, der darf in seiner „Heimat“ bleiben. Für mich passen die schwedische Kultur und Mentalität, ich fühle mich wohl und zu Hause. Mit allen Vor- und Nachteilen. PS: Holland hat ganz aktuell mehr neue Corona-Fälle als Schweden, die CH sogar über doppelt so viele . . . )

  • Andrea Mende 15/11/2020 at 21:51

    Kann Marens Erfahrungen nur bestätigen. Ich lebe nun seit fast 19 Jahren in Schweden. Gesundheits- und Sozialsystem, Schulwesen, Öffentliche Sicherheit – alles reine Katastrophe. Aber die Schweden machen gute Miene zum bösen Spiel, öffentliche Unmutsbezeugungen kommen hier gar nicht gut …
    Der Umgang mit der Corona-Pandemie setzt dem Ganzen die Krone auf. Auch ich spiele nun mit dem Gedanken der Rücksiedlung nach Europa.
    Alles Gute, bleibt alle gesund!
    Andrea

  • Sibille 16/11/2020 at 18:58

    Danke für das Interview. Schön, wenn man in seinem Leben Erfahrungen aus verschieden Ländern gesammelt hat.

    Ich ziehe in Kürze nach Südschweden und freue mich auf die Erfahrungen die ich sammeln werde.

    Bleibt gesund!

  • Cibdol 17/11/2020 at 14:10

    Sehr schönes Interview, ich fand es sehr interessant. Klingt sehr schwierig, Ihre Kinder in Schweden zu „lassen“, aber ich hoffe, es geht Ihnen allen gut.

  • Dalkulla 17/11/2020 at 20:59

    Ich bin bislang immer nur stille Mitleserin dieses Blogs gewesen und hatte immer vor, „irgendwann einmal“ einen positiven Kommentar da zu lassen – und jetzt las ich das hier, was mit Ordnung & Co. ja nun gar nichts zu tun hat, und bin sprachlos, da stark beeindruckt von diesem Interview… Danke! 🙂 Auch ich lebe seit zwei Jahren in Schweden (Mittelschweden) und kann fast alles so nur unterschreiben, vor allem wie wenig das Leben der alten Menschen in Schweden wert zu sein scheint, die laxen Regeln bezüglich Corona und auch der fehlende Standard im schwedischen Schulsystem.

    Ich habe vor Schweden mehrere Jahre in Finnland und Norwegen gelebt und fand diese beiden Länder bezüglich „Verschlossenheit der Menschen“ deutlich schlimmer als Schweden, wo ich persönlich gar keine Verschlossenheit festgestellt habe. Vielleicht bin ich da aber auch eben durch die Jahre in Finnland und Norwegen geprägt, in dem Sinne, dass ich mich unbewusst an das Distanzierte gewöhnt habe und mir die Schweden nun im Vergleich SEHR offen erscheinen. Auf jeden Fall bin ich nun in Schweden wesentlich glücklicher, habe dabei aber keine rosarote Brille auf und begrüsse deshalb die Veröffentlichung solch ehrlicher Worte.

    Und da muss ich zu dem einen Kommentar von Martin Ranz sagen: Auch wenn man in einem Land lebt, in dem man nicht geboren wurde, sollte man immer das Recht haben, seine Meinung frei äußern zu dürfen. Für Maren war Schweden halt nichts auf Dauer und genau deswegen zieht es sie wieder zurück in die Niederlande. Vollkommen legitim, wie ich finde. Auch ich kann mir aktuell nicht mehr vorstellen, in Schweden alt zu werden, eben weil man gerade jetzt vor Augen geführt bekommt, wie wenig das Leben der alten Menschen in Schweden wert zu sein scheint. Im Moment bin ich aber jung und gesund und fühle mich allgemein – trotz der negativen Aspekte – sehr wohl in Schweden, also bleibe ich auch erstmal in Schweden. 🙂